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Web-TV: Konsolidierung und Kampf um Fachkräfte: Das kommt 2024 auf die Branche zu

Traditionell zieht der Schadentalk im Web-TV am Jahresende eine Bilanz des aktuellen Unfallschadenjahres und wirft einen Blick auf die Herausforderungen im neuen Jahr. So auch am 7. Dezember. Der achte und letzte Branchentalk 2023 fand in der Zentrale der DEKRA Automobil GmbH in Stuttgart statt. Und Diskussionsstoff gab es reichlich.

Fachkräftemangel war 2023 das vorherrschende Thema

Der amtierende ZKF-Präsident Peter Börner fasste das Jahr zu Beginn der Sendung unter dem Motto „außergewöhnliche Zeiten“ zusammen. Denn trotz voller Werkstätten und Vorlaufzeiten von mehreren Wochen sei die Lage alles andere als rosig. „Gehen wir davon aus, dass wir uns bei den Unfallzahlen auf einem ähnlichen Niveau wie 2019 befinden. Damals hatten wir nicht so viel Vorlaufzeit. Das ist der Beweis dafür, dass uns Mitarbeiter und Reparaturkapazitäten in den Werkstätten fehlen“, brachte es der Verbandspräsident auf den Punkt und sprach damit zugleich das Thema an, das die gesamte Branche in diesem Jahr wohl am meisten beschäftigt hat.

Ähnlich stellt sich die Situation im Sachverständigenbereich dar, wie Bernd Grüninger (Bereichsleiter Gutachten und Mitglied der Geschäftsleitung DEKRA Automobil GmbH) aufzeigte. „Es gab eine deutliche Steigerung im Schadengutachtenbereich und im Gebrauchtwagenmanagement, alles in allem sind wir wieder auf Vor-Corona-Kurs. Die Herausforderung bestand darin, das, was an Arbeit da ist, auch abzuleisten.“ Auch die Expertenorganisation suche deshalb händeringend Mitarbeiter.

„Die Werkstätten befinden sich aktuell in einer guten Verhandlungsposition“

Schadenrechtsexperte Henning Hamann (Geschäftsführer der Kanzlei Voigt) merkte unterdessen an, dass die hohe Auslastung in den Werkstätten aktuell zu einem Umdenken führe: „Immer mehr Werkstätten fragen sich, ob sie bei der hohen Auslastung noch auf die Schadensteuerungsvolumina angewiesen sind. Sie befinden sich aktuell in einer guten Verhandlungsposition.“ Das bestätigt auch die im November von schaden.news durchgeführte Konjunkturumfrage, in der 91 Prozent der Teilnehmer angaben, ihren Stundensatz in diesem Jahr erhöht zu haben. Ebenso viele planen dies zudem auch im nächsten Jahr.

Ein Trend, den auch Gerald Beese (Geschäftsführer Schadenschutzverband SSV der HDI Group) bestätigte. Zwar verhandele der SSV die Stundenverrechnungssätze ohnehin immer schon individuell und auch unterjährig, jedoch hätten sich die Verhandlungen in diesem Jahr „deutlich intensiviert“.

Peter Börner gab jedoch zu bedenken, dass der Schein trügen könnte: „Da sind sicher viele Schadenlenkungsbetriebe dabei, die nur ein paar Euro erhalten haben. Das reicht nicht aus.“ Denn neben den Kosten für Gas, Strom oder neue Werkzeuge müsse auch der steigende Lohn in der allgemeinen Kostenentwicklung abgebildet und im Stundenverrechnungssatz berücksichtigt werden.

Wie umgehen mit hohen Stundensätzen für E-Auto-Reparaturen?

Moderator Christian Simmert warf an dieser Stelle ein, dass die Kfz-Versicherer zuletzt die hohen Stundensätze – vor allem für die Instandsetzung verunfallter Elektrofahrzeuge – deutlich kritisiert hatten. So sprach Michael Messmann (Bereichsleiter Werkstattsteuerung bei der LVM Versicherung) in der vorangegangenen Web-TV-Sendung von Stundensätzen weit über 300 Euro. Hohe Stundensätze seien per Gesetz natürlich nicht verboten, betonte Schadenrechtsexperte Henning Hamann. Der Bundesgerichtshof hat zuletzt eindeutig bestätigt, dass die Preisautonomie Sache des Unternehmens ist. Der Kanzlei-Geschäftsführer gab allerdings zu bedenken, dass weitere Preissteigerungen vor allem bei Privatkunden zu Inakzeptanz führen könnten. Er empfahl den Werkstätten deshalb erneut stärker mit Pauschalen zu arbeiten, um beispielsweise die Kosten für erhöhte Energieverbräuche im Winter abzufangen.

Höhere Stundensätze für E-Auto-Reparaturen seien aber ein Trend, den es aus Sicht von Bernd Grüninger zu beobachten gilt. Denn hinsichtlich der Schadenkosten gibt es eigentlich keine gravierenden Unterschiede, wie DEKRA im Rahmen einer Studie ermittelt hat. Dafür wurden die Instandsetzungskosten verunfallter BEV-Fahrzeuge mit denen herkömmlicher Verbrenner verglichen. „Generell lagen die durchschnittlichen Reparaturkosten von E-Autos leicht über denen herkömmlicher Verbrenner. Betrachtet man jedoch baugleiche Modelle, sind die Kosten nahezu identisch – sofern keine HV-Komponenten betroffen sind“, fasste er die Ergebnisse zusammen, fügte jedoch hinzu: „Sobald HV-Komponenten betroffen sind, gehen die Reparaturkosten durch die Decke.“ Nicht berücksichtigt wurden in der Studie jedoch die teils deutlich höheren Stundensätze im Elektrofahrzeuge-Segment. „Sollte das Schule machen und alle Betriebe höhere Stundensätze veranschlagen, dann werden auch die durchschnittlichen Reparaturkosten für E-Autos deutlich über den bisherigen liegen.“

Es wird also darauf ankommen, wie die Reparaturbetriebe künftig mit reinen Karosserieschäden an E-Fahrzeugen umgehen. „Ist nur das Blech betroffen, braucht es keine Hochvolt-Qualifizierung. Sind HV-Komponenten betroffen, ist eine zusätzliche Qualifizierung sowie Equipment und Schutzausrüstung erforderlich. Und das kostet“, fasste Peter Börner abschließend zusammen.

„Viele Investitionen konnten nicht getätigt werden, obwohl die Arbeit da ist“

Trotz einer generell guten Auftragslage belasten die gestiegenen Kosten in allen Bereichen die Werkstätten scheinbar weiterhin extrem. Das spiegelt sich auch im Investitionsverhalten kleiner und mittelständischer Betriebe wider, wie Jürgen Sterzik (Vertriebsleiter WOLF Anlagentechnik) betont. Zwar hätten viele Inhaberinnen und Inhaber ihre Bestandsanlagen aufgrund der explodierten Energiepreise modernisiert, geplante Investitionen in Neu- oder Umbauten wurden in diesem Jahr aber häufig zurückgestellt. „Viele Investitionen konnten nicht getätigt werden, obwohl die Arbeit da ist und die zusätzlichen Kapazitäten dringend gebraucht werden.“ Gründe dafür sieht er vor allem in den nach wie vor hohen Preisen im Bausektor sowie in dem „extrem gestiegenen Zinssatz“.

Eben jene Betriebe gilt es aus Sicht von Jochen Gaukel (Bereichsleiter Vertrieb bei Sika Automotive Repair) mit effizienten und leicht händelbaren Produktlösungen zu unterstützen, um weiterhin Prozesse zu optimieren. Zudem zeige sich bei seinen Betriebsbesuchen immer wieder, dass breit aufgestellte Reparaturwerkstätten besser durch Krisenzeiten kommen. „Zusätzliche Geschäftsfelder, die während Corona etabliert wurden, helfen jetzt dabei, Wellenbewegungen im Markt auszugleichen. Aber natürlich will jedes neue Geschäftsfeld gut überlegt sein, denn auch dafür braucht es Fachkräfte“, betont der erfahrene Manager.

Konsolidierung geht weiter

Einig waren sich die beiden Werkstattausrüster außerdem darin, dass die Konsolidierung im Unfallschadenmarkt weiter voranschreiten wird. „Diese Tendenz beobachten wir schon seit einigen Jahren, dass Kapazitäten zusammengelegt werden und immer größere Betriebe entstehen. Diese Unternehmen investieren weiter fleißig und sind weniger von den Kosten beeinträchtigt.“ Eben diese modernen Lackier- und Karosseriezentren haben aus Sicht von Jürgen Sterzik auch weniger Probleme, neue Fachkräfte zu akquirieren: „Da stehen die Mitarbeiter Schlange. Und da geht’s nicht nur ums Geld, sondern auch um den modernen Arbeitsplatz, Ergonomie, Sauberkeit oder Sozialräume. Das sind heute Faktoren, die hauptverantwortlich dafür sind, ob man heute noch gute Mitarbeiter hat oder nicht.“

Auch der amtierende ZKF-Präsident bestätigte die Konsolidierungstendenzen, sieht diese jedoch nicht problematisch: „Ich glaube nicht, dass es in Zukunft ein großes Betriebssterben geben wird.“ Stattdessen geht er davon aus, dass sich die Betriebsgrößen durch fehlende Mitarbeiter reduzieren. „Dann sinkt die Reparaturkapazität, was aber wiederum den Prozessen guttut.“

„Umsatz ist das eine, Ertrag das andere“

Mit Blick auf das nächste Jahr ist sich Peter Börner zudem sicher, dass viele Betriebe ihre Kundensegmente auf den Prüfstand stellen werden und auch müssen. Der ZKF-Präsident geht davon aus, dass das Ersatzteilegeschäft mittelfristig von den OEM in ein Agenturgeschäft umgewandelt wird und damit die Margen verloren gehen. „Das heißt, wir werden mit gestiegenen Aufträgen und Schadenkosten eine tolle Umsatzentwicklung haben, keine Frage. Aber Umsatz ist das eine, Ertrag das andere. Und ich glaube, mit Kunden anderer Couleur kann man mehr Ertrag erwirtschaften.“

Der Chef des Schadenschutzverbandes SSV, Gerald Beese, ist hingegen davon überzeugt, dass die Schadensteuerung auch weiterhin ein geeignetes Mittel ist, um den Versicherungskunden im Schadenfall einen umfangreichen Service bieten zu können.

Digitalisierung ist unumgänglich im Kampf gegen den Fachkräftemangel

Mit Blick auf fehlende Fachkräfte und Reparaturkapazitäten betonte Gerald Beese zudem, dass die Digitalisierung künftig weiterhin eine wichtige Rolle spielen muss und auch wird. „Durch den Hackerangriff auf SoftProject haben wir erst gemerkt, welche enormen Vorteile die Digitalisierung bisher gebracht hat“, bemerkt er. Den digitalen Angriff und den damit einhergehenden zwischenzeitlichen Zusammenbruch aller digitalen Prozesse bezeichnete er als „die bisher größte Herausforderung für den SSV in den letzten zehn Jahren“. Deshalb will der Schadenschutzverband auch im nächsten Jahr die Digitalisierung der Prozesse in den Partnerwerkstätten vorantreiben. „Wir wollen den Werkstätten mehr Raum geben, sich auf das zu konzentrieren, was sie am besten können – nämlich verunfallte Fahrzeuge wieder auf die Straße zu bringen – und sie nicht mit administrativem Mehraufwand belasten. Das ist unser klares Ziel.“

Auch im Sachverständigenwesen bleibt die Digitalisierung ein zentraler Aspekt. So betonte Bernd Grüninger: „Nur so können wir auch künftig den großen Stückzahlen Herr werden“. Aktuell prüfe die Expertenorganisation beispielsweise Möglichkeiten zum Einsatz einer Künstlichen Intelligenz im Hagelschadenbereich. „Muss wirklich jeder Schaden durch einen Sachverständigen vor Ort besichtigt werden oder kann eine KI möglicherweise die Schäden vorfiltern?“, teilte er die Überlegungen von DEKRA mit.

Rechnungskürzungen: „Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht“

Während auf der einen Seite administrative Aufwände mit Hilfe der Digitalisierung verschlankt werden sollen, werden sie auf der anderen Seite durch Rechnungskürzungen und Prüfberichte wieder erhöht. Denn vor dem Hintergrund des bereits vielfach prophezeiten Verlustgeschäfts der Kfz-Versicherer in diesem Jahr, betonte Verkehrsrechtsanwalt Henning Hamann: „Ich bin fest davon überzeugt, dass da noch kein Ende der Fahnenstange erreicht ist, was die Prüfberichte und Rechnungskürzungen angeht. Da werden wir in Zukunft noch deutlich mehr sehen als bisher.“ Die Kanzlei Voigt werde den Werkstätten deshalb weiterhin als Partner in Rechtsfragen an der Seite stehen, um diese bestmöglich zu unterstützen.

„Wir schauen positiv ins neue Jahr“

Nicht zuletzt wurde mit Blick auf 2024 auch die Nachhaltigkeit von allen Talkgästen angesprochen. Auch wenn das Thema von vielen Werkstätten aktuell vielleicht noch eher stiefmütterlich behandelt wird, steht es bei Kfz-Versicherern, Ausrüstern und auch Branchenverbänden ganz oben auf der Agenda. Denn Fakt ist: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen werden eher früher als später auch mittelständische Reparaturbetriebe betreffen.

Der letzte Branchentalk in diesem Jahr hat also erneut gezeigt: Die Branche steht vor einem massiven Wandel und viele, bereits bekannte Herausforderungen werden den Unfallreparaturmarkt auch im nächsten Jahr begleiten. „Aber trotz aller Herausforderungen schauen wir positiv ins neue Jahr und lassen uns nicht unterkriegen“, betonte Moderator Christian Simmert abschließend und sprach damit vermutlich sowohl den Talkgästen als auch vielen Betrieben aus der Seele.

Carina Hendderich

Originalartikel: https://schaden.news/de/article/link/43782/schadentalk-web-tv-zusammenfassung-letzte-sendung-2023


Fotos: schaden.news